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ZEIT LEO Ausgabe 2/2021

ZEIT Leo 2/2021 :: Niko Ballermann und die Impf-Kampagne

Niko Ballermann und die Impf-Kampagne

Lesegeschichte: Angelika Niestrath und Andreas Hüging
Illustration: Jango Jim

Kennst du Niko Ballermann? Er ist 10 Jahre alt und wohnt mit seinen Eltern und seinen Schwestern in einer kleinen Wohnung.

Seit es Corona gibt und er so viel zu Hause ist, richtet er ziemlich viel Chaos an. Seine bisherigen Abenteuer sind im Newsletter »Post von ZEIT LEO« erschienen. Hier kannst du lesen, was Niko schon erlebt hat: www.zeit.de/nikoballermann

Jetzt geht seine Geschichte weiter ...

ZEIT Leo 2/2021

Bimbamboingbom, bimbam. Bimmel- Himmel-Zeit. Wer mich kennt, der weiß, dass das für mich die beste Zeit des Tages ist: wenn alle Kirchenglocken der Stadt gleichzeitig läuten und ich auf dem Balkon mit mir selbst reden kann. Das mach ich, weil es sonst ein echt großes Gedankendurcheinander in meinem Kopf gibt. Der Einzige, der mich bei dem Gebimmel hören kann, ist unser Nachbar, Opa Mompe. Und der ist so was wie ein Freund von mir, jedenfalls seit letztem Sommer. Da hatte er eine Lungenentzündung, aber ich dachte, es wär Corona. Darum habe ich ihm auch das Leben gerettet – aus Versehen sozusagen. Das passiert mir übrigens öfter. Also, dass ich alles falsch mache, und am Ende ist es trotzdem richtig. Leider läuft es noch öfter umgekehrt: Ich denk, ich mach alles richtig, und am Ende ... na ja. Deshalb nennen die Leute mich auch Ballermann – weil ich ziemlich viel Mist baue und manchmal etwas unsensibel bin. Dabei meine ich es immer gut! Beweis: Opa Mompe lebt. Gerade kommt er nebenan auf seinen Balkon geschlurft.
»Guck dir diesen Mist an!«, motzt er und zeigt zum Haus gegenüber. Genau auf unserer Höhe, im siebten Stock, hängt da ein Plakat aus dem Fenster: »STOPPT DEN CORONA-WAHNSINN – LASST EUCH NICHT IMPFEN!« – »Verdammte Covidioten!«, bellt Mompe.
Covidioten glauben, dass Corona gar nicht wirklich gefährlich ist. Deshalb sind sie auch gegen den Lockdown und Masken und so, und das regt den Alten richtig auf. Klar, der ist schließlich Risikogruppe. Darum will er sich so schnell wie möglich impfen lassen, aber leider ist sein Termin erst in zwei Wochen.
»Zwei Wochen – in der Zeit kann ich dreimal tot sein!« Darüber schimpft er, seit sie Weihnachten mit der Impferei angefangen haben. Schon komisch: Die einen wollen unbedingt geimpft werden und die anderen auf keinen Fall. Obwohl, warum eigentlich nicht? Wenn alle geimpft sind, können die Masken doch weg.
»Was haben diese Covidioten denn gegen das Impfen?«, will ich wissen.
»Die behaupten, dass der Impfstoff ihr Gehirn verändert.« Mompe tippt sich an die Stirn. »Mit irgendwelchen winzigen Computerteilchen.«
»Winzige Teilchen – wie Mikrochips?« Ist ja spannend. Aber gehen die überhaupt durch so eine Spritze? Zum Glück arbeitet Papa im Elektronikmarkt und kennt sich mit Computern richtig gut aus.

»Stimmt es, dass bei der Impfung Mikrochips ins Gehirn fließen?«, erkundige ich mich beim Abendessen.
»Logisch«, meint meine große Schwester Vanessa. »Damit alle tun, was die Merkel sagt. Steht überall im Internet.«
»Dahinter steckt die Bundeskanzlerin? « Das hätte ich jetzt nicht gedacht.
Papa auch nicht. »So ein Schwachsinn! « Er haut auf den Tisch. »Bei der 60 Impfung fließt gar nichts, außer Medizin. Und je eher alle geimpft sind, desto schneller fließt wieder Geld.«
Wegen Corona verdient Papa nämlich viel weniger als früher. Und Mama ist komplett arbeitslos. Deshalb müssen wir auch krass sparen. Sogar die Weihnachtsgeschenke waren diesmal kleiner als sonst!
»Tut impfen weh?«, fragt meine jüngere Schwester Mette ängstlich. Ihre Unterlippe zittert: Mega-Heulalarm!
»Nein, Süße«, sagt Mama schnell. »Das ist nur ein kleiner Piks. Außerdem, bis sie die Kinder impfen ...«
»Sind wir alle dreimal tot«, zitiere ich Mompe.
»Mamaaa«, brüllt Mette. »Will nicht tohoot sein!«

ZEIT Leo 2/2021

Ups, das war jetzt wieder unsensibel. Aber ich habe auch gerade Wichtigeres im Kopf, nämlich meinen Geburtstag nächsten Monat. Der ist letztes Jahr schon ausgefallen, weil es kurz vorher mit Corona losging. Diesmal will ich wieder groß feiern – oder wenigstens große Geschenke! Und da hat Papa mich eben auf eine Idee gebracht.
»Also, wenn alle geimpft sind, haben wir wieder genug Geld?«, hake ich nach.

Am nächsten Morgen gehe ich gleich nach dem Frühstück auf den Balkon. Ich will über meine Idee nachdenken. Opa Mompe ist auch schon da – perfekt.
»Wissen Sie, wie viele Leute in unserem Haus wohnen?«, frage ich.
»So ungefähr hundert«, meint er. »Warum?«
»Jeder Dritte will sich nicht impfen lassen«, informiere ich ihn. »Kam gestern in der Tagesschau. Hier im Haus wären das ... äh ...«
»Dreiunddreißig Komma drei«, hilft Mompe, und ich muss erst mal schlucken. über dreißig Impfgegner! Wenn ich die alle überreden will, habe ich viel zu tun. Aber auch der längste Weg beginnt mit dem ersten Schritt, sagt meine Lehrerin immer. Die Frage ist bloß ...
»Woran sehe ich, wer alles dazugehört? «, überlege ich laut. »Na, an den bescheuerten Plakaten«, sagt Mompe. »Die haben bestimmt auch überall Flugblätter rumliegen«, fügt er finster hinzu. »Oder du fragst einfach nach.« Er kichert plötzlich: »Entschuldigung, sind Sie ein Covidiot?«
Sehr witzig. Aber klingeln und fragen ist trotzdem nicht verkehrt. Ich brauche nur einen harmlosen Einstieg ...
Zehn Minuten später stehe ich vor der Tür von Frau Jandel im Erdgeschoss und zeige ihr das verlassene Terrarium von Vanessas Vogelspinne. Die ist praktischerweise mal wieder abgehauen.

[...]

 

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