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ZEIT LEO  Ausgabe 1/2021

Das Monster im Schnee

Immer wieder glauben Menschen, im Himalaya ein Wesen zu sichten. Wer oder was ist der Yeti?

Text: Viola Kiel
ZEIT Leo 1/2021 Das Monster im Schnee
ZEIT Leo 1/2021: Das Monster im Schnee
Illustration: Illustration: Lasse Wandschneider

Es dämmert schon, als Reinhold Messner eine unheimliche Entdeckung macht. Der berühmte Bergsteiger ist allein unterwegs, nördlich des Himalaya-Gebirges in Asien. Er wandert in mehreren Tausend Metern Höhe. Gerade hat er einen eiskalten Wildbach durchwatet. Nun wringt er die nassen Socken aus. Während er wieder in seine Schuhe schlüpft, blickt er in den düsteren Wald, der vor ihm liegt. Und dort sieht er auf einmal ein Wesen.

Eine Gestalt mit dunklem Fell. Auf zwei Beinen. Größer als der größte Mensch. »Ein Ungeheuer!«, durchzuckt es den Bergsteiger. Er spürt, wie die Angst in ihm hochkriecht. Im nächsten Augenblick ist das Wesen verschwunden. Reinhold Messner blinzelt: Hat er das gerade nur geträumt? Er hastet zu der Stelle, an der er die Gestalt gesehen hat. In der Erde erkennt er Fußabdrücke. Riesige Fußabdrücke. Hier ist etwas gewesen!

Reinhold Messner wandert weiter. Er ist unruhig, immer wieder blickt er sich um. Normalerweise macht es ihm nichts aus, in der Wildnis zu übernachten, doch in jener Nacht kann er nicht schlafen. Auch in den folgenden Wochen bleibt er auf der Hut. Später kehrt Reinhold Messner zurück nach Kathmandu, in die Hauptstadt von Nepal. Was er erlebt hat, beschäftigt ihn sehr. Er fragt die Menschen dort, ob sie von einem Ungeheuer wissen, das im Himalaya-Gebirge haust. Alle, die er trifft, geben ihm dieselbe Antwort. Sie sagen: »Natürlich. Das ist der Yeti.«

Die Bewohner des Himalaya erzählen sich seit Jahrhunderten von einem geheimnisvollen Schneemenschen, der in den verschneiten Bergen lebt. Im Lauf der letzten hundert Jahre hat sich die Legende auch in Europa verbreitet. Der Yeti, erzählt man, laufe auf zwei Beinen. Er sei scheu, gefährlich und so stark, dass er ein Yak mit einem einzigen Prankenhieb töten könne. Und immer wieder berichten Menschen, dass sie etwas gesehen haben.

ZEIT Leo 1/2021 Das Monster im Schnee
ZEIT Leo 1/2021: Das Monster im Schnee
Illustration: Illustration: Lasse Wandschneider

Zum Beispiel im Jahr 1951. Ein Bergsteiger knipst da ein Foto, das um die Welt geht. Darauf ist der Abdruck einer Fußsohle im Schnee zu sehen, mit Umrissen von Zehen. Wenig später brechen ganze Expeditionen auf, um den Yeti zu suchen. Die Teilnehmer finden noch mehr Fußabdrücke. Diese Spuren sehen aus, als würde ein riesiges Wesen auf zwei Beinen laufen. Außerdem finden die Abenteurer Höhlen, Fellbüschel, Knochen, Zähne. Aber: keinen Yeti. Nachdem Reinhoüld Messner dem unheimlichen Wesen im Wald begegnet ist, sucht auch er viele Jahre nach dem Yeti. Mehrmals reist er in die Gegend rund um das Himalaya-Gebirge. Er spricht mit vielen klugen und weisen Menschen über die unheimliche Gestalt im Wald. Aber einen echten Yeti entdeckt er nicht.

Mittlerweile hat Reinhold Messner eine Idee, warum niemand je einen echten Yeti getroffen hat: »Es gibt den Yeti – aber nur als Vorstellung«, sagt er. »Der Yeti ist die Figur einer alten Sage, die die Menschen sich erzählen.« Trotzdem glaubt der Bergsteiger, dass in den Bergen ein riesiges Wesen lebt: »Das, was viele Menschen für den Yeti halten, ist ein Bär«, meint er.

Es gibt Bärenarten im Himalaya. Da ist zum Beispiel der Tibetbär oder der sogenannte Isabellbär. Sie sind mit den Braunbären verwandt, aber größer als die Bären, die in manchen Wäldern Z Europas leben. Sie können sich auf die Hinterbeine stellen. Dann sehen sie fast ein bisschen menschlich aus.

Um nicht in tiefe Gletscherspalten in den Bergen zu fallen, treten diese Bären vorsichtig mit ihren Hintertatzen auf den Abdruck ihrer Vordertatzen. Ihre Spuren im Schnee können dann tatsächlich wie die riesigen Fußabdrücke aussehen, die Reinhold Messner und andere Bergsteiger entdeckt haben. Für seine Idee, dass der Yeti eigentlich ein Bär ist, bekommt Reinhold Messner Unterstützung aus der Wissenschaft.

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