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Vom Kind gelernt

Über Geld sprechen

Das fiel dem ZEIT-Redakteur Maximilian Probst lange schwer. Doch dann begannen seine Söhne nachzufragen

Text: Maximilian Probst
Maximilian Probst
Maximilian Probst ist Redakteur im Ressort Chancen der ZEIT

Über Geld, so habe ich es als Kind gelernt, spricht man nicht. Das sollte auch für meine Kinder gelten. Heute sind sie 11 und 15 Jahre alt. Als sie anfingen zu fragen, was denn der Roller gekostet habe, den ich gerade für sie gekauft hatte, oder der Fußball oder die Wasserpistole, wich ich aus: Nicht so viel. Als diese Antwort nicht mehr stimmte, sondern gelogen gewesen wäre, etwa beim iPod Nummer soundso, sagte ich: Ist doch egal.

ZEIT Leo 1/2018 Vom Kind gelernt: Über Geld sprechen
Illustration: Laura Junger

Ich fand: Die Kinder sollten lernen, dass man sich über Geld lieber nicht zu sehr den Kopf zerbricht. Dass Geld sekundär ist, nur Äußerlichkeiten erfasst und dass man es daher mit einer gewissen Geringschätzung behandeln sollte. Vielleicht ist das jedoch nur möglich, wenn Geld immer in ausreichendem Maße zur Verfügung steht. Was bei mir nicht gerade der Fall ist. Nein, musste ich deshalb gelegentlich sagen, wir können keine Ferien auf den Seychellen machen und auch nicht auf Ibiza, das kann ich mir schlicht nicht leisten. Mein kleiner Sohn erwiderte: Aber der Vater von Finn und der Vater von Carl, die können sich das leisten. Ja, sagte ich, die haben wahrscheinlich einen anderen Job.

Seither ist mein kleiner Sohn wie angefixt. Er fragt ständig danach, was man wo verdient. Es kommt sogar vor, dass er wildfremde Leute auf ihr Gehalt anspricht. Als wir neulich in einen Bus einstiegen, fragte er die Fahrerin. Sie nannte eine ganz unwahrscheinlich niedrige Summe, die ich vor Schreck gleich wieder vergessen habe. Er fragte die Kassiererin an der Supermarktkasse – neun Euro pro Stunde. Und einen Banker, der uns in der S-Bahn gegenübersaß – 150 000 Euro im Jahr. Wow, sagte mein Kleiner. Irgendwann wollte er auch von mir wissen, was ich verdiene. Ich zögerte, ich druckste herum – und rückte schließlich mit einer Zahl heraus. So wenig?, meinte mein Sohn. Wieso denn? Das fragte ich mich dann auch. Und fragte es am nächsten Tag meinen Chef. Es war das erste Mal, dass ich im Büro über Geld sprach. Und eine Gehaltserhöhung bekam.

Am Abend desselben Tages ging ich mit meiner Familie in ein feines französisches Bistro. Ein bisschen feiern. Aber vor allem wollte ich meinem Sohn eine Freude machen. Er will mal Restaurantkritiker werden. So richtig wichtig scheint ihm Geld nicht zu sein.

In jeder FAMILIENZEIT erzählen ZEIT-Redakteure, was sie von Kindern lernen.

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