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Vom Kind gelernt

Fische fangen

Ohne seinen Sohn wäre der ZEIT-Redakteur Götz Hamann nie auf die Idee gekommen, einen Angelschein zu machen

Text: Götz Hamann
Götz Hamann
Götz Hamann leitet die Digitale Transformation bei der ZEIT

Mein Sohn wollte angeln, und zwar von Herzen, da war er dreieinhalb Jahre alt. Woher er das hatte? Keine Ahnung. Ich konnte nicht angeln und wollte es auch nicht, ich war erwachsen geworden, ohne je den Wunsch zu verspüren, einen Fisch zu fangen. Aber nun fing mein Sohn an zu drängeln: wann ich endlich einen Angelschein machen würde? Dass man den braucht, wusste er von einem Freund. Der war genauso fischvernarrt wie er, hatte aber einen Vater, der Schatzkisten voller Köder und Blinker und Schwimmer besaß, der mit superscharfen Messern hantierte und mit brutal scharfen Haken.

ZEIT Leo 1/2018 Von Kindern lernen: Fische fangen
Illustration: Laura Junger

Irgendwann war ich es dann leid, andere Angelscheinbesitzer zu fragen, ob sie mit meinem Sohn und mir mal an den See fahren würden. Es war auch peinlich, als wir unser erstes Rotauge fingen und ich nicht wusste, wie man den Haken aus dem Maul bekommt. Also meldete ich mich in einem nahen Angelverein zum Kurs an. Mehrere Abende lang lernte ich Fisch-Theorie. Neben, vor und hinter mir saßen Jugendliche und Deutschrussen, die alle angeln konnten. Für sie war der Angelschein nur ein Papier, das sie zum Vorzeigen brauchten, wenn mal ein Kontrolleur vorbeikam. Ich hingegen fühlte mich wie ein Fisch auf dem Trockenen.

Als die Prüfung nahte, plagte meinen Sohn die Sorge, ob sein Vater es wohl packen würde. Das musste unbedingt sein, deshalb bot mein Sohn mir seine Hilfe an. Er war nun vier und konnte das Alphabet und alle zehn Ziffern. Das reichte. Denn jede Frage auf den Prüfungsbögen hatte drei mögliche Antworten: a, b oder c. Mein Sohn setzte sich also mir gegenüber aufs Sofa und nahm den Lösungsbogen an sich. Ich las die Nummer der Frage vor und sagte, welche Antwort ich für richtig hielt, zum Beispiel »132 b«. Er schaute nach, ob das stimmte.

Inzwischen habe ich den Schein seit acht Jahren, und wir waren oft beim Fischen. Wir haben Brassen und Kaulbarsche gefangen, Forellen, Köhler, Dorsche und Flundern, Thunfische und Goldmakrelen. Stets sind wir zusammen gegangen, mein Sohn hatte ja keinen Angelschein. Das ändert sich nun. Mein Sohn ist jetzt zwölf und hat sich schon zum Kurs angemeldet. Bald wird er seine Prüfung machen, und ich, ich werde ihn abhören.

In jeder FAMILIENZEIT erzählen ZEIT-Redakteure, was sie von Kindern lernen.

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