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ZEIT LEO Ausgabe 8/2023

Annas Stern

Erfahr, wie die Forscherin Anna Frebel den ältesten Stern der Milchstraße entdeckt hat.

Text: Viola Kiel / Illustration: Ronja Fischer / Foto: ESA/Hubble & NASA

Die Nacht war sternenklar. Ich lag auf dem flachen Dach einer Sternforschungsstation in Australien. Unter mir befand sich das riesige Teleskop, das ich sonst zum Forschen brauche. Jetzt aber machte ich eine Pause und schaute einfach nach oben in den Himmel. über mir leuchteten die Sterne, sie schimmerten gelb und orange und rosa. 

Forscherin Anna Frebel

Wie wunderschön sie doch aussehen, dachte ich wieder einmal. Was ich in dem Moment nicht ahnte: Unter all den Sternen da oben funkelte auch einer, über den ich schon kurze Zeit später etwas Spektakuläres herausfinden würde.

Ich war damals noch eine sehr junge Sternenforscherin – Astrophysikerin, nennt man das in der Fachsprache. Zu diesem Beruf gehört es, viel zu suchen. Ich suchte in unserer Galaxie, der Milchstraße, nach den ältesten Sternen. Die stammen aus einer Zeit, kurz nachdem das Universum entstanden ist – das ist etwa 14 Milliarden Jahre her. Die uralten Sterne sind besonders interessant, denn sie tragen ein wichtiges Geheimnis in sich: Sie können uns verraten, woraus alles Leben entstanden ist. Das finde ich super faszinierend!

In diesem Nebel werden Sterne geboren.

Meine Suche nach uralten Sternen habe ich allerdings nicht am Himmel begonnen, sondern am Computer: Ich habe erst einmal eine riesige Menge von Listen und Daten durchforstet. Denn andere Forscherinnen und Forscher vor mir haben schon vieles über die Milchstraße herausgefunden und aufgeschrieben, welche Sterne dort leuchten. Diese Informationen konnte ich nutzen. Die wichtigste Frage aber ist bei vielen Sternen noch unbeantwortet: Woraus sind sie zusammengesetzt? Wie Sterne entstehen, wissen wir: Es geschieht in einer Gaswolke. Von der kühlt ein Teil ab und klumpt zusammen. Dieser Klumpen wird immer größer. Dann drückt von außen eine große Kraft auf den Klumpen.
Dadurch wird der Klumiepen irgendwann kochend heiß. In seinem Inneren verschmelzen nun Teilchen. So bilden sich die Stoffe, aus denen alles im Universum gemacht ist: Das sind die Elemente.

 

Auf die Elemente kommt es bei meiner Forschung an. Deshalb habe ich mir einige Sterne, die mir interessant erschienen, genauer angeschaut. In Australien, wo der Himmel weniger durch Licht verschmutzt wird, habe ich Aufnahmen mit dem Teleskop gemacht. Darauf sieht man dunkle Linien – es sind Muster, die die verschiedenen Elemente im Stern hinterlassen. Diese Muster nennt man Spektrum. So ein Spektrum kann sehr unterschiedlich aussehen, je nachdem, wie alt ein Stern ist.
Das hat folgenden Grund: Wenn große Sterne ihr Lebensende erreichen, explodieren sie. Dann werden das Gas und die Elemente ins All geschleudert, und daraus bilden sich neue Sterne. Jüngere Sterne tragen also die Elemente aus älteren Sternen in sich. In unserer Sonne zum Beispiel, einem recht jungen Stern, kann man die Elemente von mindestens 1000 Sternexplosionen finden. Anders ist das bei alten Sternen. Sie enthalten die Elemente von sehr wenigen Sternexplosionen, manchmal sogar nur von einer einzigen.

Deshalb sind die alten Sterne so spannend: Sie müssen kurz nach der Entstehung des Universums schon da gewesen sein. In ihnen ist Information darüber gespeichert, wie sich die Welt entwickeln konnte. Sie können uns helfen zu verstehen, wie das Leben auf der Erde möglich wurde.
Wir Sternenforscherinnen und -forscher brauchen sehr viel Geduld: Es kann passieren, dass man jahrelang Daten auswertet und Teleskopaufnahmen macht und dabei nichts Besonderes entdeckt.
Ich aber hatte Glück: Bei einem der Sterne, die ich auf seine Elemente prüfte, sah das Spektrum tatsächlich sehr ungewöhnlich aus.
Ich war richtig aufgeregt und bat dann einen Kollegen, an einem noch größeren Teleskop bessere Aufnahmen von meinem Stern zu machen. Als das Ergebnis da war, traute ich meinen Augen kaum: Der Stern war nicht einfach nur alt. Er war ur-ururalt, wahrscheinlich war er der älteste Stern in der Milchstraße, den je ein Mensch gefunden hatte! Der Stern war eine Sensation.

Auch meine Kolleginnen und Kollegen waren begeistert. Wir haben meine Entdeckung alle zusammen mit einer großen Party gefeiert. Eines durfte ich allerdings nicht: dem Stern einen Namen geben. Denn die Sterne der Milchstraße sind schon nach ihren Koordinaten benannt. Mein Stern heißt HE 1327-2326.
Heute arbeite ich als Professorin an einer berühmten Universität für Sternforschung in den USA. Ich suche weiter nach den ältesten Sternen unserer Milchstraße und habe noch einige tolle Exemplare gefunden. Am liebsten möchte ich einen der allerersten Sterne finden, sozusagen aus der Generation der Eltern meines Sterns.
HE 1327-2326 aber bleibt mein Lieblingsstern. Ich besuche ihn regelmäßig: Einmal im Jahr schaue ich ihn mit einem Teleskop an. Darin sieht er aus wie alle anderen, ein fetter, weißer Fleck. Aber ich weiß, wie besonders er ist.

 

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